Einführung zur Bioethik-Konvention (Biomedizinkonvention) des Europarates
Im April 1994 sorgte nach einer „demokratischen Indiskretion“ eine handvoll engagierter kritischer BürgerInnen für die Veröffentlichung einer zuvor hinter verschlossenen Türen in Gremien des Europarat erarbeiteten und geheim gehaltenen sogenannten „Bioethik-Konvention“.
Damit begann in Deutschland und über die Grenzen hinaus eine Debatte über die ethischen Fragen im Umgang von Wissenschaft und Forschung mit dem menschlichen Leben. Diese Debatte dauert bis heute an.
Inhalte der Biomedizinkonvention
Worum geht es in dem Übereinkommen mit dem klangvollen Titel: „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin“, oder auch bekannt unter „Biomedizin-Konvention“ oder „Menschenrechtskonvention zur Biomedizin“ oder ursprünglich kurz „Bioethik-Konvention“?
Die „Bioethik-Konvention“ (BEK) des Europarates wurde am 4. April 1997 verabschiedet und trat nach der Ratifizierung von 5 Staaten am 1. Dezember 1999 in Kraft. Das Übereinkommen versteht sich als Fortschreibung der Europäischen Menschenrechtskonvention und soll für die ihr beitretenden Staaten sogenannte Mindeststandards in verschiedenen Bereichen medizinischer Therapie und biomedizinischer Forschung festlegen.
Zur Konvention gehören ein Erläuternder Bericht und diverse Zusatzprotokolle, die bereits zur Unterzeichnung ausliegen bzw. in Arbeit sind. Dies sind Zusatzprotokolle zum Klonverbot, zur medizinischen Forschung, zur Organ- und Gewebetransplantation, zum Schutz des menschlichen Embryo und Fötus sowie zur Genetik.
Kritikpunkte an der Bioethik-Konvention
Nachfolgend gibt es eine Auswahl der Kritikpunkte an den Inhalten der Konvention, die bisher hauptsächlich wegen des anhaltenden Protestes aus der Bevölkerung und einigen Abgeordneten von Deutschland noch nicht unterzeichnet wurde:
Die Bioethik-Konvention (ohne die Zusatzprotokolle) erlaubt:
- fremdnützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen Menschen (z.B. Neugeborenen, Kindern, Geistigbehinderten, Altersdementen, Komapatienten). Dies bei weit, unklar und vage definiertem „Forschungsziel“ und undefiniertem „minimalen Risiko“ und „minimaler Belastung“ (Artikel 17.2).
- die Entnahme von regenerierbarem Gewebe von nicht-einwilligungsfähigen Menschen zu Transplantationszwecken, wobei die Erläuterungen zur Konvention vorsehen, daß es sich „zunächst“ um Knochenmark handele, aber andere Optionen, d.h. auf Haut oder Lebergewebe, ausdrücklich offengehalten werden sollen (Art. 2o, Erläuterung Nr. 124).
- verbrauchende Forschung an menschlichen Embryonen, die z.B. bei künstlicher Befruchtung übrig bleiben (Art. 18) und für Keimbahnforschung unerläßlich sind.
- Eingriffe in die menschliche Keimbahn nicht nur zu diagnostischen und therapeutischen, sondern auch zu präventiven Zwecken. Die Behauptung, die Konvention verbiete Keimbahneingriffe durch den dürren Zusatz, „…wenn der Eingriff nicht darauf abzielt, irgendeine Veränderung des Genoms von Nachkommen herbeizuführen“, kann beliebig umgangen werden, indem wechselnde primäre Ziele vorgeschoben werden (Art. 13). Keimbahntherapie ist lt. Embryonenschutzgesetz verboten.
- eugenische Selektion bei geschlechtsgebundenen Erbkrankheiten durch Tests ebenso wie durch Einstieg in die nach einem höchstrichterlichen Urteil neu geregelte Präimplantationsdiagnostik (PID).
- Gentests zur Prognose von genetischen Krankheiten, Dispositionen und Anfälligkeiten, u.a. für die gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung. Ursprünglich vorgesehener Datenschutz wurde in der Endfassung (Nov. 96) vollständig eliminiert.
Den genauen Wortlaut und den Erläuternden Bericht zur Konvention sowie die Zusatzprotokolle und die Listen der Unterzeichnerstaaten finden Sie unter Konventionstexte.
Warum diese Seiten?
Mittlerweile ist es ruhig geworden um die Biomedizinkonvention. Und bislang wurde von den anfänglichen Forderungen von verschiedenen Seiten, Deutschland müsse diese Konvention unbedingt unterzeichnen, nach anhaltenden Protesten Abstand genommen. Doch zwischenzeitlich flammte die Debatte über einen Beitritt Deutschlands hierzulande wieder auf.
Ein wichtiger Termin hierzu war ein öffentliches Bürgerforum der Bundestags-Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“. Thema am 04.07.2005 in Tübingen war „Die Biomedizinkonvention des Europarates – jetzt unterzeichnen?“. Siehe dazu Rubrik Neues.
Dies war für uns der Anlass, dieses Informationsportal zur Bioethik-Konvention nach langer Zeit der Planung endlich fertig zustellen.
Ziel dieser Themenseite des Infoportal Kritische Bioethik (ehemals InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik Deutschland) ist es,
- erstmals auf einer Plattform auch Laien einen Überblick zu geben über die konkreten Inhalte der Biomedizin-Konvention und der Zusatzprotokolle (Konventionstexte),
- die Kritik an dem Übereinkommen zu sammeln und öffentlich zu machen, konkret diverse Stellungnahmen zur Bioethik-Konvention,
- über Neuigkeiten zu informieren, wenn die Debatte weiter aufflammt,
- durch eine Presseschau die Debatte der vergangenen Jahre und der kommenden Zeit in den Medien wiederzugeben,
- mittels Zusammenstellung von Büchern zur Bioethik-Konvention / Biopolitik dazu anzuregen, sich weiter zu befassen.
Denn wir sind der Meinung, was alle angeht sollten auch alle entscheiden, da von den Inhalten der Bioethik-Konvention jeder von uns früher oder später betroffen sein kann. Deshalb wollen wir Sie dazu ermutigen, sich mit dem Thema Bioethik-Konvention auseinanderzusetzen und sich eventuell mit uns gemeinsam einzubringen. Für die Würde und den Schutz des Menschen in allen Phasen des Lebens!
Grundpositionen, Ziele und Arbeit der (ehemaligen) InteressenGemeinschaft
Wenn Sie mehr wissen wollen über uns, was wir tun und was wir wollen, finden Sie auf dem Infoportal Kritische Bioethik Informationen über unsere Ziele und Arbeit sowie Grundpositionen in bioethischen Problemfeldern.