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zum
„Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin“
Christian Frodl
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Die Münchner Initiative gegen die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin begrüßt den Versuch eines europaweiten Schutzabkommens zur Biomedizin. Wir stellen jedoch fest, daß auch bei diesem überarbeiteten und jetzt vom Europarat verabschiedeten Dokument noch erhebliche Mängel im Bezug auf die Menschenrechte des Einzelnen bestehen und auch die diesbezüglichen Einwände der Parlamentarischen Versammlung nicht berücksichtigt wurden.
So stellte die Parlamentarische Versammlung ausdrücklich die Forderung, daß Eingriffe an nichteinwilligungsfähigen Menschen nur zu ihrem direktem Wohl unternommen werden dürften.
Diese Forderungen nach erheblichen Nachbesserungen der Sonderregelungen über Eingriffe an einwilligungsunfähigen Menschen zum „ausreichenden Schutz“ dieser Personen vor mißbräuchlichen Eingriffen, welche auch einen Eingriff in die unverletzlichen Individualrechte des Einzelnen bedeuten, wurden in der vorliegenden verabschiedeten Konvention jedoch nicht berücksichtigt.
Auch die Münchner Initiative gegen die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin vertritt die Ansicht, daß diese vom Europarat endgültig verabschiedete Konvention wegen der zahlreichen Ausnahmeregelungen keinen ausreichenden Schutz der allgemeinen und persönlichen Menschenrechte für einwilligungsunfähige Menschen bietet. Außerdem ist dieses Übereinkommen auch nicht mit dem Nürnberger Kodex zu vereinbaren, der 1947 extra auf Grund der menschenverachtenden Zwangsversuche im Dritten Reich zum Schutz der Menschenrechte ausgearbeitet wurde. Dieser Nürnberger Kodex schließt die Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen, im Gegensatz zum sogenannten Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin, ausdrücklich aus.
Wir fordern daher, daß die in den gesetzlichen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland festgesetzten Schutzbestimmungen unter keinen Umständen in Frage gestellt werden dürfen. Auch nicht durch ein völkerrechtliches Übereinkommen ohne unmittelbare rechtliche Auswirkungen für Deutschland. Wir sind der Auffassung, daß der Schutz des Individuums Vorrang hat, vor jeglichen biologischen und medizinischen Eingriffen, da die Menschenrechte des Einzelnen das höchste Gut sind, die vor allen materiellen und wissenschaftlichen Interessen stehen.
Daher lehnen wir jegliche Ausnahmeregelungen für die Zulässigkeit fremdnütziger Eingriffe an nichteinwilligungsfähigen Menschen ab. Diese Sonderregelungen sind nicht nur diskriminierend sondern auch bedrohlich.
Desweiteren lehnen wir auch eine verbrauchende Embryonenforschung ab. Diese ist nach dieser Konvention trotz eines Verbots der eigens für die Forschung erzeugter Embryonen durch die Erlaubnis von Experimenten mit bei der künstlichen Befruchtung entstandenen „überzähligen“ Mehrzellern immer noch möglich. Im Zusammenhang mit der Zulassung der Forschung an der menschlichen Keimbahn, deren Veränderung zwar verboten ist, jedoch „versehentlich“ passieren kann, da die Forschung an ihr erlaubt ist, sofern „der Eingriff nicht zum Ziel hat“ sie zu verändern und im Zusammenhang mit der eugenisch-selektiven Reagenzglasbefruchtung, fängt man bereits hier wieder an, zwischen „lebenswertem“ und „lebensunwertem“ Leben zu unterscheiden. Daher erscheint es nicht abwegig, daß Kinder mit vor der Geburt erkannten Krankheiten und Behinderungen bald nicht mehr zur Welt kommen dürfen.
Erschwerend kommt hier hinzu, daß in der Bioethik-Konvention die Begriffe „Mensch“, „Jeder“, „Individuum“ und „Person“ nicht näher definiert wurden, weil man sich nicht auf ihre Bedeutung einigen konnte. Deshalb bleibt jedem Beitrittsstaat die Definition dieser Begriffe selbst überlassen. Was diese Freistellung der Definition für Folgen haben kann, wenn man bedenkt, daß Bioethik-Befürworter und Philosophen, wie z.B. Hans-Martin Sass, zwischen „biologischem menschlichen Leben, Organleben, Zell-Leben und Gewebeleben“ und „personalem Leben“ unterscheiden, ist leicht auszumalen. Denn für ihn sei nur das personale Leben, das es frühestens ab dem 57. Tag der Empfängnis und spätestens bei der Feststellung des Hirntodes geben könne, „ethisch zu würdigen und rechtlich zu schützen.“
Desweiteren kritisieren wir ein fehlendes umfassendes Verbot des Klonens von Menschen. Denn dem Zusatzprotokoll zur Konvention nach ist das Klonen nicht 100%ig ausgeschlossen. Das Protokoll verbietet lediglich, daß Embryonen, die zu Forschungszwecken geklont wurden, zu Feten, Kindern und Erwachsenen werden. Diese Zustimmung zum künftigen Klonen von Embryonen allein zu Forschungszwecken steht jedoch im Widerspruch zu Artikel 18 der Konvention der besagt, daß Embryonen allein zu Forschungszwecken nicht hergestellt werden dürfen. Dies geschieht beim Klonen jedoch zweifellos.
Als weiteren Punkt des Menschenrechtsübereinkommens zur Biomedizin lehnen wir die Weitergabe von genetischen Testergebnissen an Dritte, wie z.B. Versicherungsanstalten und Arbeitgeber ab. Auch diese Forderung der Parlamentarischen Versammlung nach einem ausreichendem Datenschutz wurde in diesem verabschiedeten Übereinkommen nicht berücksichtigt. Durch diese mögliche Weitergabe von genetischen Testergebnissen wird die bereits vorhandene Benachteiligung Behinderter und Kranker nur noch verstärkt, statt daß man diese Menschen in die Gesellschaft integriert. So werden Menschen mit genetischen Defekten dann schließlich schon vor Ausbruch einer Krankheit, welche unter Umständen erst Jahrzehnte später erfolgt, bei Versicherungs- oder Arbeitsvertragsabschlüssen benachteiligt. Denn es ist wohl eine Illusion zu glauben, daß Versicherungen und Arbeitgeber niemanden benachteiligen würden, wenn ihnen die Daten erst einmal zugänglich gemacht werden – trotz eines Verbots der Diskriminierung auf Grund von Genen.
Als letzten Punkt kritisieren wir ein fehlendes Individualklagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof. Dies ist ein um so gravierenderer Kritikpunkt, wenn man bedenkt, daß die Konvention Versuche an „Nichteinwilligungsfähigen“ vorsieht und diese im Falle einer möglichen Schädigung nur nach nationalem Recht Entschädigungen geltend machen können. Denn jeder weiß, wie schwierig es bereits bei ärztlichen Kunstfehlern ist, Schadensersatzansprüche geltend machen und auch durchsetzen zu können.
Auf Grund der oben genannten Argumente fordert die Münchner Initiative eine klare Ablehnung der Ratifizierung des Menschenrechtsübereinkommens zur Biomedizin. Schließlich sollten die Verantwortlichen der Bundesrepublik Deutschland angesichts der geschichtlichen Erfahrungen wissen, wohin eine Einschränkung der Menschenrechte alter, kranker oder behinderter Menschen führen kann. Hier tragen gerade Politiker eine besondere Verantwortung. Denn der Gedanke dieser sogennanten „Bioethik“ macht sich ohnehin nicht nur in Deutschland schon länger breit. Wenn nicht unbedingt beabsichtigt so doch manchmal gezwungenermaßen. Man denke nur an Alten und Pflegeheime, in denen Pflege auf Grund der Kosten und des Personalmangels im Minutentakt betrieben wird. Für Menschlichkeit und Zuwendung, die die Schwächsten unserer Gesellschaft nötig hätten, bleibt hier meistens kaum noch Zeit. Zu bedenken sind auch in diesem Zusammenhang die Kosten- Nutzen- Analysen, die immer häufiger diskutiert werden.
Wir bitten die Bundesregierung und den Bundestag daher nocheinmal eindringlich darum, wegen der oben genannten Einwände in keinem Fall zuzustimmen, auch wenn immer noch die strengeren deutschen Gesetze gelten. Denn ist eine europaweite, für manche Staaten bedeutende Lockerung des Schutzes der Menschenrechte erst einmal erreicht, ist anzunehmen, daß der bereits vorhandene starke Druck der Industrie und Forschung nach freiem Forschen immens werden wird. Schon jetzt fordern Forscher, es solle eine Balance, sprich Relativierung, geschaffen werden zwischen der Forschungsfreiheit und der Menschenwürde, da sonst der Forschungsstandort Deutschland Nachteile erlangen könnte. So könnte die Bundesregierung bald gezwungen sein, auch ihre eigenen Gesetze zu lockern, schon allein um mit den anderen Staaten mithalten zu können. Für uns ist diese Relativierung der Menschenwürde jedoch unter keinen Umständen hinnehmbar.
München, den 4. Februar 1998
Chr. Frodl
Sprecher der Initiative
Dieser Initiative gehören folgende Organisationen und Einzelpersonen an:
- BayGSP (Bayerische Gesellschaft für Soziale Psychiatrie)
- VIF (Vereinigung Integrationsförderung, Claus Fussek )
- VbA selbstbestimmtes Leben e.V.
- VzF e.V. (Verein zur Förderung der Emanzipation und Integration Behinderter und Nichtbehinderter)
- Gemeinsam leben lernen e. V.
- Städtischer Beraterkreis Behinderte der Landeshauptstadt München
- C.B.A. e.V.(Cooperative Beschützende Arbeitsstätten)
- INTEG im Sozialverband Reichsbund e.V.
- Verein „Glückliches Haus“ e.V.
- DaGG (David gegen Goliath, Bernhardt Fricke, Stadtrat München)
- Münchner Crüppel Cabaret
- Dr. Peter Radtke (Schauspieler und Autor)
- Ottfried Fischer (Schauspieler und Kabarettist)
- Bruno Jonas (Kabarettist)
- Dr.Volker Haas (Dipl. – Biologe)
- Max Weber (ehem. MdL SPD)